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WILHELM VON HUMBOLDT
Wilhelm wurde in Potsdam am 22. Juni 1767 geboren. Er war mit ungewöhnlichen geistigen Fähigkeiten begabt und höchst empfindsam veranlagt. Schon als Jüngling schloss er sich dem schwärmerischen Freundschafts- und Veredelung Kult des «Tugendbundes» an.
Während des Studiums in Frankfurt an der Oder und in Göttingen pflegte der junge Humboldt durch seinen Briefverkehr zahlreiche Freundschaften.
1789 hatte Wilhelm von Humboldt einige Wochen in Paris und Versailles an mehreren Sitzungen der Nationalversammlung teilgenommen. Wenige Monate Tätigkeit am Kammergericht zu Berlin gaben ihm die Gewissheit, dass seine Staats- und Gesellschaftsauffassungen mit dem Despotismus der Krone Preußens nicht vereinbar waren. Er zog sich auf die Güter seines Schwiegervaters zurück und widmete sich antiken Studien. Bald darauf überraschte er die Öffentlichkeit mit zwei freisinnigen Schriften, die nur zum Teil die Zensur passierten. Das sind die «Ideen über Staatsverfassung» (1791), durch die Französische Revolution 1789-1794 veranlasst, und die «Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen», die gar erst 1851 ungekürzt erscheinen durften.
Die Verbindung von Antike, Aufklärung, Französischer Revolution und humanistischer Gesinnung ließ in Humboldt die Ideale vom umfassend gebildeten Menschen und von dem Beschränken der Aufgabe des Staates auf die Sicherung der persönlichen Freiheit des Menschen reifen. Die Ideen brachten nur allzu bald den Staatsmann Humboldt in einen Konflikt mit den reaktionären Mächten seiner Zeit.
Im Jahre 1802 ging er für 6 Jahre als preußischer Diplomat nach Rom. In dieser Zeit wandelte sich in ihm der Klassizismus zur Humanismus. Er verknüpfte die Elemente des hellenischen Geistes mit dem liberalen Denken seiner Zeit und mit der Weite seines Weltbildes zum humanistischen Universalismus.
Humboldt war bereits gegen seine Neigung Diplomat geworden, jetzt wurde er Staatsmann. Widerstrebend übernahm er 1809 die Leitung der Sektion für Kultus im Ministerium des Innern. Er legte den Grundstein für eine Schulreform, in der das humanistische Gymnasium am meisten seinen Erzieh- ungsgedanken entsprach. Er gestaltet die Akademie der Wissenschaften um und gründet 1810 die Universität zu Berlin, die heute den Namen der Brüder Humboldt trägt.
Seine Wirksamkeit als Staatsminister und Gesandter in Wien, als preußischer Bevollmächtigter bei den Pariser Friedensverhandlungen und auf dem Wiener Kongress, bei der Eröffnung des Bundestages und auf den ersten Kongressen der Heiligen Allianz ließen ihn erkennen.
Solange er im Amt war, kämpfte er. Er drängte auf die Einlösung des Verfassungsversprechens. Mit einer an ihm seltenen Schärfe wandte er sich gegen die berüchtigten Beschlüsse des Bundestages vom 20. September 1819, durch welche die Freiheit der Universitäten und der Presse aufgehoben und Ausschüsse zur Verfolgung «revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen» gebildet wurden.
Und doch blieb Humboldt keine Möglichkeit, eine demokratische Verfassung gegen den Willen des Regierungschefs durchzusetzen. Am 8. April 1835 starb Wilhelm von Humboldt auf dem Familiensitz Schloss Tegel. Er war im Werden und Wirken Wegbereiter einer neuen Epoche der menschlichen Gemeinschaft.